Berufsbild Wissenschaftsjournalismus: »Energiewende und Klimaschutz sind gesellschaftliche Veränderungsprozesse und nur bedingt technische Herausforderungen.«

Du bist gleichzeitig Forschergeist und Kommunikationstalent? Dann könnte ein Job im Wissenschaftsjournalismus spannend für dich sein! Hier geht es darum, wissenschaftliche Erkenntnisse für alle Menschen zugänglich zu machen und verständlich zu kommunizieren. Da Social Media als Informationsquellen immer wichtiger werden, könnte man moderne Wissenschaftsjournalist*innen durchaus auch als Influencer*innen bezeichnen. Hier gibt uns Klaus Russell-Wells einen persönlichen Einblick in seinen Arbeitsalltag als Wissenschaftsjournalist und YouTuber für Klimathemen.
Photo by Michal Czyz on Unsplash
von Charlotte Clarke, 9. August 2021 um 07:04

Klaus, du bist Wissenschaftsjournalist und YouTuber. Magst du uns eine kurze Definition für das Tätigkeitsfeld der Wissenschaftskommunikation geben? 

Klaus Russell-Wells: Vielleicht keine richtige Definition, aber in der Wissenschaftskommunikation geht es darum, Wissenschaftsthemen aufzubereiten und Menschen zugänglich und verständlich zu machen. Das kann schriftlich sein oder mittels Podcasts, Videos oder auch über andere Medien.

Ich selbst drehe Videos zu Energie-, Umwelt-, und Klimathemen im Auftrag von Forschungseinrichtungen und dem öffentlich-rechtlichem Rundfunk (sowie für meinen eigenen YouTube-Kanal, wenn ich die Zeit dafür finde).


Wie sieht ein typischer Arbeitstag für dich aus – sofern es diesen überhaupt gibt?

Klaus: So richtig typische Tage gibt’s nicht wirklich. Die Produktion von Videos braucht deutlich mehr, als sich einfach nur vor eine Kamera zu stellen. Die ganze Konzeption, Recherche, das Skript und die Drehpläne – alles eher Bürotätigkeiten. Dann der Dreh selbst, entweder im Studio oder irgendwo vor Ort. Und danach dann Schnitt, Grafiken und Animationen, Musik usw. Also eine zwar sehr (!) vielseitige, aber überwiegend Schreibtischarbeit.


Magst du uns etwas über deinen persönlichen Werdegang erzählen? Welchen fachlichen Hintergrund hast du und wie kam es dazu, dass du nun YouTube-Videos produzierst? 

Klaus: Eigentlich bin ich Ingenieur für Energie-, Gebäude-, und Umwelttechnik. Nur im Laufe der Zeit habe ich immer stärker gemerkt, dass ich es für viel wichtiger halte, dieses Themengebiet verständlich und zugänglich zu machen, als z.B. einfach in einem Planungsbüro Anlagen zu planen. Denn Energiewende und Klimaschutz sind letztendlich gesellschaftliche Veränderungsprozesse und nur bedingt technische Herausforderungen. Am Ende betreffen sie uns ja alle, nicht bloß die Fachwelt. Daher finde ich, sollten diese Themen auch allen zugänglich sein. Deshalb habe ich begonnen, z.B. Videos dazu zu produzieren. Erst nur aus Spaß, aber irgendwann kamen dann auch Anfragen rein, ob ich nicht auch z.B. für Forschungseinrichtungen Videos produzieren könnte.


Die Wissenschaftskommunikation erfordert ja sowohl ausgeprägte Fähigkeiten im Bereich der wissenschaftlichen Arbeit (z.B. Hintergrundwissen, Datenaufbereitung und -analyse) als auch umfangreiche Medienkompetenzen: Eine Kombination, die so in der Regel in keinem Studium vermittelt wird – entweder ich studiere Naturwissenschaften oder eben etwas mit Medienbezug. Welchen Rat würdest du Menschen geben, die sich bewusst für den Bereich der Wissenschaftskommunikation qualifizieren wollen? Kennst du evtl. passende Weiterbildungsangebote o.Ä.?

Klaus: So richtige Bildungsangebote kann ich jetzt nicht aus eigener Erfahrung empfehlen – ich bin da ja eher reingestolpert und habe mir das, was ich mache, selbst beigebracht. Was für Fachleute sicherlich nicht schaden würde, wäre ein Studium im Fach Wissenschaftsjournalismus. Ich würde ihnen außerdem empfehlen, die Themen zunächst nicht aus der eigenen, sondern aus der Perspektive von Menschen ohne fachlichen Hintergrund zu betrachten und zu erklären. Dazu gehört auch: Keine Fachbegriffe, wo auch alltägliche Sprache funktioniert. Und wenn Fachbegriffe, die dann erst erklären. Fachleute setzen leider oft bereits zu tief im Thema an und gehen davon aus, dass die Basics bekannt sind.

Menschen mit einem journalistischen oder medienbezogenen Hintergrund würde ich empfehlen, in der Recherche nicht allein nach Vor- und Nachteilen bzw. Pro- und Contra-Argumenten zu suchen, um die dann eins zu eins gegenüberzustellen, sondern noch etwas tiefer in die Materie einzusteigen, um die jeweiligen Argumente auch gewichten und ins Verhältnis zueinander stellen zu können. Sonst entsteht schnell mal ein sog. false balance (eine falsche Ausgewogenheit), die gut gemeint ist, aber vielleicht auch das Bild verzerrt.


Du bist ein Gesicht des Projektes KLIMA° vor acht und moderierst regelmäßig YouTube-Videos zum Thema Klimaschutz. Doch euer YouTube-Kanal soll nur der erste Schritt sein – was sind die weitergehenden Ziele von KLIMA° vor acht?

Klaus: KLIMA° vor acht ist ein ehrenamtliches Projekt, das zeigen möchte, wie tägliche Klimaberichterstattung zur besten Sendezeit im Fernsehen aussehen könnte. Dazu haben wir 6 Beispielfolgen produziert und online veröffentlicht. Schließlich ist der Klimawandel eines der größten Themen unserer Zeit und sollte dementsprechend auch medial behandelt werden.  Unser Ziel ist es, die Klimaberichterstattung – vor allem der Öffentlich-Rechtlichen – voranzutreiben und die Sender zu überzeugen, eigene Formate zur Klimakrise zu entwickeln und umzusetzen. Mit RTL ist z.B. ein erster Sender unserem Aufruf gefolgt und produziert mit dem »KlimaUpdate« ein regelmäßiges Format zur besten Sendezeit. Wir waren bei der Entwicklung dieses Formats involviert und wir hoffen natürlich, dass auch weitere Sender folgen werden.

 


»Klassische« YouTuber*innen finanzieren ihre Arbeit ja oftmals über Werbeeinnahmen und natürlich auch über Provisionen, die sie von den Unternehmen erhalten, deren Produkte sie vorstellen. Bei KLIMA° vor acht seid ihr jedoch bewusst unabhängig von kommerziellen Geldgebern. Wie finanziert sich das Projekt stattdessen?

Klaus: Im Wesentlichen ist KLIMA° vor acht durch eine Crowdfunding-Kampagne finanziert worden. Innerhalb kürzester Zeit wurde dabei unser Finanzierungsziel erreicht, was auch verdeutlicht, welches öffentliche Interesse für diese Idee besteht. Das hat sich auch nochmal bestätigt, als wir einen offenen Brief an die ARD geschrieben haben, der inzwischen von fast 20.000 Menschen unterschrieben wurde.


Als YouTuber stehst du als Person stark in der Öffentlichkeit. Inwieweit ist der Umgang mit Hate Speech Teil deiner Arbeit und wie gehst du damit um? Braucht man als YouTuber*in prinzipiell ein besonders »dickes Fell«?

Klaus: Eigentlich habe ich’s da noch ganz gut. Ich will gar nicht wissen, was ich abbekäme, wenn ich eine Frau oder Person of Color wäre. Da haben wir gesellschaftlich, vor allem online, noch große Baustellen – und das ist harmlos formuliert.

Ich glaube, meine Themen sind dafür auch ein wenig zu speziell und nischig. Was allerdings natürlich vorkommt, wenn man zu Klimathemen und auch zu großen Veränderungsprojekten, wie der Energiewende, kommuniziert, sind Verschwörungsmythen und Desinformation in den Kommentaren. Manchmal unbewusst oder unbeabsichtigt, oft aber durchaus auch sehr bewusst und gezielt. Und natürlich Trolle, die einen in sinnlose Diskussionen verwickeln wollen. Und wenn man die nicht erkennt, kann das sehr anstrengend und ermüdend sein. Aber zum Glück und mit etwas Erfahrung lassen sich da ganz einfache Muster erkennen, so dass ich schnell merke, ob jemand wirklich an einem Austausch interessiert ist oder doch nur trollt.


Du hast zudem mit »Joul« ein eigenes Unternehmen für Wissenschaftskommunikation gegründet, mit dem du z.B. Forschungseinrichtungen und Medienmacher*innen dabei unterstützt, wissenschaftliche Themen transparent und verständlich zu kommunizieren. Welche Leistungen bietet ihr an? Kannst du ein kurzes Beispiel für ein besonders spannendes Projekt geben, welches ihr für einen Kunden umgesetzt habt?

Klaus: Genau, wir produzieren Wissenschaftsvideos für Forschungseinrichtungen und Medienanstalten. Wichtig ist dabei: Es muss um wissenschaftliche oder gesellschaftliche Themen gehen – nicht um Produkte, Dienstleistungen oder Unternehmen. Wir sind keine PR- oder Marketing-Agentur.

Eigentlich sind alle Projekte spannend! Für die Helmholtz-Klima-Initiative produzieren wir z.B. Videos über diverse Klimathemen. Da haben wir letztens noch eins über den Wald und seine Rolle im Klimawandel und Klimaschutz gedreht. 

Des Weiteren haben wir für den Bayerischen Rundfunk einen Beitrag als Teil der Sendung „Gut zu wissen“ über Ökostromtarife gedreht.


Insbesondere auf Social Media-Plattformen, in denen jede*r Inhalte verbreiten kann, ist das Risiko für die Verbreitung von Falschinformationen, wissenschaftlich nicht fundierten Behauptungen und Fake News groß. Woran erkenne ich als Laie wissenschaftlich gesicherte und seriöse Informationen?

Klaus: Die sind tatsächlich nicht immer so leicht auf den ersten Blick zu erkennen. Wichtige Fragen, die man sich dafür stellen kann: Wer veröffentlicht diese Information und hat die Person einen entsprechenden fachlichen Hintergrund? Bei Organisationen und Webseiten ist ein Blick ins Impressum oft hilfreich: Ist das ein Unternehmen, ein Verein, eine Anstalt öffentlichen Rechts? Dann natürlich die Frage nach den Quellen: Woher stammen die Informationen ursprünglich? Sind Quellen angegeben? Wenn ja, beziehen die sich auf Fachleute, Fachbücher, Fachbehörden, wissenschaftliche Studien? Und wenn auf Studien: Ist die gesamte Studie inkl. Methodik veröffentlicht? (Für Fachleute dann: Ist die Methodik eigentlich geeignet, um die entsprechenden Studienfragestellungen zu beantworten?) Ebenfalls ganz wichtig: Ist die Studie peer-reviewed – also von unabhängigen Wissenschaftler*innen gegengeprüft – worden?

Da sieht man also schon, das geht von ganz einfachen Fragen auf oberflächlichem Level immer tiefer bis ins fachliche Detail.


Was bedeutet für dich persönlich »Erfolg«? Das heißt, welche Art von positivem Feedback gibt dir dein Job, bei dem du das Gefühl bekommst »Ich konnte etwas Sinnvolles bewegen!«

Klaus: Oh, da gibt’s viele Beispiele. Wenn ich z.B. Kommentare bekomme, in denen es heißt, dass sich Menschen wegen meiner Videos für ein Ingenieurstudium entschieden haben. Wenn Menschen Rückfragen stellen, die so gut sind, dass ich dazu nochmal ein eigenes Video drehen könnte. Oder auch, wenn sich Menschen melden und fragen, ob sie irgendwie mitmachen können – das geht zwar leider oft nicht, weil ich für meinen eigenen Kanal kein Budget habe, aber freut mich natürlich trotzdem immer! :)

© Klaus Russell Wells


Über Klaus Russell-Wells

Als Ingenieur und Wissenschaftskommunikator im Bereich Energiewende, Umwelttechnik und Klimaschutz dreht Klaus Webvideos, die die großen Themen unserer Zeit verständlich und unterhaltsam behandeln. Er betreibt einen eigenen YouTube-Kanal und dreht Beiträge im Auftrag von Forschungseinrichtungen und Medienanstalten. Sein Ziel ist es, Menschen für die vielfältigen Lösungen in der Energiewende, Nachhaltigkeit und im Klimaschutz zu begeistern und dazu anzuregen, sich daraufhin aus Eigeninteresse weiter damit zu beschäftigen.


Du möchtest mehr über Klaus’ Arbeit erfahren? Hier geht es lang zu seiner Webseite und hier zu seinem YouTube-Kanal.



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