Sensibel und stark: Hochsensibilität als Superkraft für eine zukunftsfähige Arbeitswelt

Schätzungsweise ein Drittel aller Menschen sind hochsensibel. Hochsensibilität ist also alles andere als eine Randerscheinung - dennoch sind Hochsensible in vielen Unternehmen mit einer Arbeits- und Führungskultur konfrontiert, in der ihre Stärken - etwa ihre hohe Empathiefähigkeit und ihr hervorragendes Gespür für Veränderungen - nur unzureichend gewertschätzt werden. Dabei geht Hochsensibilität mit genau den Fähigkeiten einher, die wir für die Gestaltung einer zukunftsfähigen Arbeitswelt brauchen. Es lohnt sich also, die eher stillen »Hidden Rockstars« der Belegschaft stärker zu fördern.

Photo by Tengyart on Unsplash
von Team, 21. Oktober 2020 um 15:08

Dieser Gastartikel wurde verfasst von Lore Sülwald und Katrin Rahnefeld, Coaches & Gründerinnen von SENSIBILITÄT MACHT STARK.

Was hat Hochsensibilität mit Unternehmer*innentum zu tun?

»Der Planet braucht keine erfolgreichen Menschen mehr, der Planet braucht dringend Friedensstifter, Heiler, Erneuerer, Geschichtenerzähler und Liebende aller Arten. Er braucht Menschen mit Zivilcourage, bereit, sich dafür einzusetzen, die Welt lebenswert und menschlich zu gestalten. Diese Qualitäten haben wenig mit der Art Erfolg zu tun, die in unseren Kulturen verbreitet ist.« Dalai Lama

Warum sich Unternehmer*innen, Personaler*innen und Führungskräfte mit der Phänomen der Hochsensibilität beschäftigen sollten

Diese Frage wird uns häufiger von Unternehmer*innen und Führungskräften gestellt. Was wir dann immer wieder gefragt werden: »Ist denn nicht jede*r sensibel? Sind wir denn nicht alle ein bisschen hochsensibel?«

Ja, jeder Mensch ist sensibel. Sensibel aus dem lat. sensibilis - »der Empfindung fähig«, ist die Fähigkeit, seine Umgebung wahrzunehmen und diese Wahrnehmung zu verarbeiten. Sensibilität ist eine elementare Anpassungsleistung von allen Lebewesen, um das eigenen Überleben zu sichern.

Neue Studien haben erkannt, dass sich Menschen generell in ihrer Sensibilität unterscheiden. Nach einer empirischen Studie von Pluess mit 901 Studierenden ergab sich eine Dreiteilung von Sensibilitätsstufen, welche fließend verlaufen. (niedrig: 30,5 %, mittel: 40,3% und hoch: 29,2 %) (Pluess, M. (2015). Individual Differences in Environmental Sensitivity. Child Development Perspectives, 9(3), 138-143).

Grafik © Lore Sülwald
Demnach gibt es Menschen mit niedriger, mittlerer und hoher Sensibilität. An dieser Dreiteilung wird sichtbar, wie hoch der Anteil an Menschen mit hoher Sensibilität ist - und dass diese keine Randgruppe bilden.

Woher kommt der Begriff »Hochsensibilität« und was bedeutet es, hochsensibel zu sein?

Hochsensible Person (kurz: HSP) wurde 1996 von der amerikanischen Professorin für Psychologie, Elaine Aron, durch ihr Buch »The highly sensitive person« eingeführt. Dieses Buch entstand als populärwissenschaftliches Exzerpt aus der von ihr vorangegangenen Studie und wurde in kurzer Zeit in den USA zum Bestseller. Hochsensibel zu sein bedeutet, eine andere Reiz-Nerven-Reaktion zu haben. Fest steht, dass hochsensible Personen einen anderen Zugang zu ihren Wahrnehmungsfiltern haben und dadurch offener für Reize aller Art sind. Dies betrifft sowohl körperliche als auch emotionale Reize. Hochsensible Menschen zeichnet eine hohe emotionale Berührbarkeit, ein intensives Erleben, tiefe und komplexe Verarbeitung, hohes Einfühlungsvermögen (Empathie), hohe emotionale Intelligenz und soziale Kompetenz und Kreativität aus. Sie sind häufig Querdenkerinnen und Neudenkerinnen, haben ein gutes Gespür für gesellschaftliche Trends und Veränderungen z.B. in der Branche, in Teams und Gruppen.

Kultureller Wandel - Was Können hochsensible Menschen im Unternehmen bewirken?

Durch den kulturellen Wandel und der sich ständig verändernden Welt kommt es zu einer Überlappung von Arbeit und Leben. Dabei wird es immer wichtiger sein, die einzelnen Lebensbereiche (Arbeit, Familie, Gesundheit, Freizeit) in Balance zu halten. Hinzu kommt, dass die Unternehmen noch nie so zerbrechlich gewesen sind wie heute, weil sie aufgrund der Digitalisierung sehr flexibel sein müssen. Die sich stetig verändernde Welt wird als unbeständig, unsicher, komplex und mehrdeutig wahrgenommen (VUKA-Welten, kurz für volatility, uncertainty, complexity, ambiguity).

Jedes Unternehmen braucht Antworten auf die digitale Revolution, damit die Mitarbeitenden mit den komplexen Möglichkeiten und Herausforderungen des Tages umgehen können. Alle Menschen stehen vor der Herausforderung, sich mit der stetig verändernden Arbeitswelt auseinanderzusetzen.

Das Wissen und der bewusste Umgang mit Hochsensibilität in Organisationen und Unternehmen kann eine Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit sein. Denn die Kompetenzen der hochsensiblen Mitarbeitenden liegen, bei richtiger Förderung, besonders im analytischen, schnellem und vernetztem Denken. Daraus entstehen neue innovative Ideen und Lösungsmöglichkeiten. Ihr hoher Grad an Intuition macht sie zu sehr guten Trendscouts in allen Bereichen. Ihre hohe Wahrnehmungsfähigkeit dient als Katalysator und Seismograf für Herausforderungen in Teams.

Hochsensible Mitarbeitende sind die »Hidden Rockstars« einen Unternehmens

Häufig sind die hochsensiblen Mitarbeitenden die »Hidden Rockstars« eines Unternehmens. Sie tendieren dazu, wenig über ihr tun zu sprechen und gelten eher als introvertiert. Es sind die, die viel tun, große Arbeitsbereiche abdecken und wenig sprechen. So wird deren Leistung erst erkannt, wenn sie das Unternehmen verlassen haben. Für diese Mitarbeitenden müssen nach ihrem Weggang nicht selten 2-3 Personen eingestellt werden.

Laut aktueller Studien ist emotionale Sicherheit der wichtigste Faktor für den Erfolg von Teams. Wir denken zudem, dass die empathische Zusammenarbeit mit Kund*innen und Mitarbeitenden innerhalb des Unternehmens die Flexibilität fördert. Denn dadurch kann ein Unternehmen gut auf die konstanten Veränderungen reagieren und Agilität leben. Die Grundlage für Kreativität und Innovation, um weiter am Markt bestehen zu können, liegt in der Kooperation und Wertschätzung, einer vertrauensvoller Arbeitsatmosphäre, positiver Fehlerkultur und Kommunikation auf Augenhöhe.

Mindestens 20% der Menschen und damit der Mitarbeitenden jedes Unternehmens sind hochsensibel, d.h. jede*r fünfte Mitarbeitende*r, die Tendenz ist sogar steigend (Quelle: Wissenschaftsblog).

Grafik © Lore Sülwald

Diese Mitarbeitenden verfügen über entsprechende Kompetenzen (siehe Mindmap), um auf die entsprechenden Veränderungen reagieren zu können:

»The World is becoming turbulent faster than organisations are becoming resilient«, urteilt der amerikanische Ökonom und Unternehmensberater Gary Hamel im Harvard Business Review (Hamel & Välikangas, 2003).

Es lohnt sich also für Unternehmen und Personalabteilungen, diese Gruppe an Mitarbeitenden zu erkennen und zu fördern. Hochsensible Menschen prägen unsere Arbeits- und Lebenskultur entscheidend mit, wenn Sie sich ihrer Stärken und Ressourcen bewusst sind und sie nachhaltig einsetzen.

Foto © Carina Adam Photography

Über die Autorinnen

Mit Coaching, Workshops, Vorträgen und Fortbildungen begleitet Lore Sülwald hochsensible Menschen bei der Nutzung ihrer »Superkraft« Hochsensibilität für eine erfüllte und gesunde Lebens- und Karrieregestaltung. Mehr Informationen zu Coachings und Seminaren auf der Website von CoachingBaum.

Darüber hinaus begleitet Lore Sülwald gemeinsam mit ihrer Kollegin Katrin Rahnefeld im Rahmen Unternehmen und Organisationen bei der Entwicklung einer achtsamen und empathischen Unternehmenskultur. Das Besondere an dem Duo ist, dass die beiden als hochsensible Coaches für ein wertschätzendes, vertrauensvolles Miteinander stehen und Spaceholder für Achtsamkeit sind. Mehr Informationen auf der Website von SENSIBILITÄT MACHT STARK.

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