In deinem neuesten Buch warnst du gemeinsam mit deinem Co-Autor Matthias Weik vor einer noch nie da gewesenen Wirtschaftskrise globalen Ausmaßes - dem »größten Crash aller Zeiten«. Welche Vorzeichen lassen euch zu dieser Prognose kommen?
Marc Friedrich: Noch nie waren mehr Schulden im System. Die Welt versinkt in Schulden. Diese haben sich seit 2008 verdoppelt auf 250 Billionen Dollar. Noch nie hatten wir so lange so niedrige Zinsen, die tiefsten Zinsen seit 5.000 Jahren! Noch nie gab es die absurde Situation, dass Staaten sich verschulden können und sogar noch Geld dafür bekommen. Noch nie waren die Banken enger miteinander verwoben durch die Globalisierung. Und nun werden schon wieder die Aufkaufprogramme gestartet. Alleine in der EU wurden durch die Europäische Zentralbank (EZB) 2,6 Billionen Euro ins System gepumpt. 15 % aller Firmen in Europa sind mittlerweile »Zombiefirmen« und nun schwächelt auch die Weltwirtschaft.
Seit Beginn der Industrialisierung sind Wirtschaftskrisen immer wieder aufgetaucht und überwunden worden. Könnte man Krisen nicht auch als natürliches Phänomen unseres Systems sehen? Zeigen Krisen nicht auch Potenziale für Weiterentwicklung und Verbesserung auf?
Marc: Absolut. Krisen gehören zum Wirtschaftskreislauf dazu und sind essentiell. Es kann nicht immer nur nach oben gehen. Die Wirtschaft muss auch mal konsolidieren und durchschnaufen, um neue Kraft zu sammeln. Allerdings hat man in den letzten Jahren diese notwendige Pause durch Zinssenkungen und Flutung der Märkte mit Geld verhindert, weil man Rezessionen vermeiden wollte. Jetzt hat sich die Krise aufgestaut und ihre Wucht potenziert. Aus diesem Grund wird es der größte Crash aller Zeiten. Jede Krise ist eine Chance und die kommende Krise ist gigantisch und somit wird es auch eine Riesenchance für uns alle sein.
Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht seit Jahren, die Wirtschaft mit einer anhaltenden Null-Zins-Politik anzukurbeln. Dafür erntet sie viel Kritik. Welche Probleme bringt eine solche Geldpolitik mit sich? Mit welchen Langzeitfolgen ist zu rechnen?
Marc: Uns allen wird die Möglichkeit genommen, adäquat fürs Alter vorzusorgen. Dadurch wird weitere Altersarmut resultieren. Viele Investmentprodukte funktionieren einfach nicht mehr, wie zum Beispiel Sparbuch, Kapitallebensversicherungen, Bausparverträge und Rentenpapiere. Parallel werden die Banken zerstört, da ihr Geschäftsmodell einbricht. Auch werden sogenannte »Zombieunternehmen« generiert, die unter normalen Umständen schon längst durch die Marktmechanismen Pleite gegangen wären und so einen natürlichen Ausleseprozess zum Opfer gefallen wären. Pleiteländer wie Italien und Griechenland erleben einen Niedergang, ja ein Sterben in Raten. Zudem steigen die Schulden und die TARGET2-Verbindlichkeiten (Anm. d. Red.: Täglicher Transfer von Zentralbankgeld zwischen den angeschlossenen Banken) enorm. Die Kollateralschäden sind aber nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik und Gesellschaft zu spüren und zu sehen. Wir erleben einen historischen Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Politik, die Wirtschaft und in die Medien. Extreme Parteien werden immer stärker und die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer.
Welche sinnvollen Optionen haben in Zeiten von Nullzinsen private Sparer*innen und Anleger*innen überhaupt noch, um ihr Vermögen einigermaßen sicher und gewinnbringend zu investieren?
Marc: Die Zeit der Nullzinsen bleibt uns erhalten und ich erwarte sogar Minuszinsen. Daher sollte man sein Vermögen in Sachwerte (z.B. Immobilien, Grundstücke, Edelmetalle) streuen. Im Buch geben wir hierzu wertvolle Tipps, was jede*r tun kann.
Der neoliberale Kapitalismus scheint sein größtes Versprechen, nämlich »Wohlstand für alle« nicht einzulösen: Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer, immer mehr Menschen sind von Erwerbs- und Altersarmut betroffen und Wohnraum, ein zentrales Grundbedürfnis, wird zunehmend zur hart umkämpften Mangelware und Gegenstand von Finanzspekulationen. Welche Lösungen schlägst du vor, um Einkommen und Vermögen gerechter zu verteilen?
Marc: Im bestehenden System des pervertierten Finanzturbokapitalismus gibt es keine Lösung. Dieses System ist so gebaut, dass Geld von unten, der Mitte und auch schon oben nach ganz oben transferiert wird. Wir brauchen ein neues Geldsystem, welches allen Menschen dient. Im Buch habe ich die innovative Idee beschrieben, wie wir uns alle den Sachwert »Daten« zurückholen und dadurch mitverdienen können.
Welchen Zusammenhang siehst du zwischen der aktuellen Geld- und Finanzpolitik und dem weltweit zu beobachtenden Erstarken nationalistischer und protektionistischer Bewegungen?
Marc: Einen 100%-igen Zusammenhang. Das habe ich in meinem zweiten Buch »Der Crash ist die Lösung« prognostiziert, dass diese Politik einen brandgefährlichen Nährboden schafft für Populisten, Extremisten und Separatisten. Genau das ist eingetroffen. Durch die Finanzkrise haben wir erfahren müssen, dass die ehrbaren Banken doch nicht so ehrbar waren. Wir wurden belogen und betrogen. Dann mussten wir feststellen, dass unsere Politiker*innen die Krisenverursacher mit unseren Steuergeldern sogar noch retteten. Damit erodierte auch das Vertrauen in die Politik und stärkte extreme Kräfte am linken und rechten Rand. Die Medien gaben ungefiltert die Propaganda der Rettungsorgien weiter, so dass auch hier viele Menschen das Vertrauen verloren haben.
Wie stehst du zur Wirtschaftsmodellen, in denen kein Zwang zum Wachstum mehr besteht (Stichwort »Degrowth«)? Lassen sich Wirtschaftswachstum, Ressourcenverbrauch und der Erhalt unseres westlichen Wohlstands prinzipiell voneinander entkoppeln?
Marc: Nein, im aktuellen System nicht. Wir müssen aber vom Wachstumswahn weg kommen, aber der ist auch fundiert durch unser falsch gestricktes Geldsystem.
Wie wird es deiner Einschätzung nach mit der EU weitergehen? Läutet der anstehende Brexit das Anfang vom Ende der Währungsunion ein? Welche politischen Maßnahmen müssten getroffen werden, um einen »Eurocrash« abzuwenden?
Marc: Der Euro und die EU werden scheitern. Es gibt keine Lösung. Es gibt nur Nebelkerzen und lebensverlängernde Maßnahmen, aber keine Heilung.
Welche Chancen und Risiken bringt die Digitalisierung für die Finanzbranche und die Steuerung von demokratischen Prozessen mit sich?
Marc: Die Digitalisierung wird die komplette Branche umkrempeln und wir werden ein Bankensterben sehen. Das nächste Geldsystem wird digital. Ein staatliches, digitales Geldsystem birgt große Nachteile für uns Bürger*innen: Wir können dadurch enteignet werden und es wird unmöglich, Geld aus dem Kreislauf zu ziehen. Dazu gibt es ein ganzes Kapitel im Buch, welches von einem Gastautor verfasst wurde, nämlich dem Futurologen Max Thinius. Darin fordern wir: Maschinen an die Macht!
Informationen zum Buch:
Das aktuelle Buch von Marc Friedrich und Matthias Weik erscheint am 31.10.2019.
Der größte Crash aller Zeiten: Wirtschaft, Politik, Gesellschaft. Wie Sie jetzt noch Ihr Geld schützen können. Marc Friedrich & Matthias Weik, Eichborn Verlag, 2019 – ISBN-13: 978-3847906698 – 20,00 €.
Mehr Informationen zu vorherigen Publikationen, Vorträgen und Beratungsleistungen auf der Website der Autoren sowie auf Facebook und ihrem Youtube-Kanal.
Über die Autoren:
Marc Friedrich ist studierter Betriebswirt und erlebte 2001 den Staatsbankrott der argentinischen Regierung und dessen ruinöse Folgen für das Land und seine Bürger aus nächster Nähe mit. Bereits in jungen Jahren sammelte er auf internationalem Parkett Arbeits- und Lebenserfahrung. Er setzt sich seit Jahren intensiv mit den Themen Edelmetalle, Kryptowährungen und Digitalisierung auseinander. Gemeinsam mit seinem Kindergartenfreund Matthias Weik hält er seit einer Dekade Seminare und Fachvorträge zu den Themen EU, Euro, Industrie 4.0, Digitalisierung, Bitcoin & Kryptowährungen; Blockchain & Dezentralisierung und Sachwertanlagen bei internationalen Unternehmen, Verbänden und Fachmessen rund um den Globus sowie an Hochschulen. Die beiden Finanzexperten und Honorarberater haben seit ihrer Erstveröffentlichung »Der größte Raubzug der Geschichte« 2013 vier weitere Wirtschaftsbücher veröffentlicht, die allesamt SPIEGEL-Bestseller wurden. Viele ihrer Prognose sind in der Zwischenzeit eingetroffen.
Lies auch unser erstes Interview mit Marc Friedrich und Matthias Weik unter Bestseller »Kapitalfehler« rechnet mit Finanzsystem ab: »Investieren Sie lediglich in Dinge, die Sie anfassen können und verstehen.«