Nachhaltigkeit an Hochschulen vorantreiben: Das »netzwerk n« macht studentische Initiativen stark für wirksames Engagement

Für die zukunftsfähige Gestaltung von Hochschulen bringen besonders die Studierenden mit ihren innovativen Ideen enormes Potential mit. Das mehrfach ausgezeichnete »netzwerk n« unterstützt mit verschiedenen Formaten Nachhaltigkeits-Initiativen an Hochschulen dabei, Veränderungsprozesse anzustoßen. Erfahre im Interview mit Lisa Kinne, Koordination des Projekts »Studierende gestalten nachhaltige Hochschulen in NRW«, wie auch deine Initiative mit dem »netzwerk n« so richtig Fahrt aufnehmen kann.
Foto: © netzwerk n e.V.
von Charlotte Clarke, 1. Dezember 2019 um 06:51

Das netzwerk n setzt sich für einen nachhaltigen Wandel an deutschen Hochschulen ein. Was sind eure konkreten Ziele und Visionen?

Lisa Kinne: Wir wollen Hochschulen durch einen gesamt-institutionellen Wandel zukunftsfähig gestalten. Nachhaltigkeit im Hochschulkontext bezieht sich nicht nur auf die ökologische Ebene, sondern muss wirklich übergreifend betrachtet werden. Unsere Vision ist es, diese Veränderung gerade aus Perspektive der Studierenden anzuregen. Hochschulen sollten der Raum sein, wo die Persönlichkeitsentwicklung von Studierenden gefördert und kritisches Denken angeregt wird. Wir möchten ein Umdenken in und zwischen den Disziplinen anstoßen und dazu beitragen, dass die Auswirkungen unseres täglichen Handelns betrachtet werden und ein stärkerer Austausch mit der Gesellschaft stattfindet. Darum vermitteln wir Kompetenzen, die dabei helfen, Hochschulen in diese Richtung zu transformieren. 

Welche spezielle Rolle spielen aus eurer Perspektive die Hochschulen und Universitäten für eine zukunftsfähige Gesellschaft?

Lisa: In Bezug auf Nachhaltigkeit sehen wir Hochschulen in einer hohen gesellschaftlichen Verantwortung. Genau dort brauchen wir Strukturen, die das Handeln innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit ermöglichen. Hochschulen und Universitäten sind nicht nur lehrende, sondern auch lernende Institution. Als Bildungs- und Forschungseinrichtungen sollten sie auf Herausforderungen in der Gesellschaft reagieren und Impulse für Entwicklungen geben. Die Erfahrungen, die Studierende an Hochschulen sammeln, sind enorm wichtig dafür, wie sie jetzt und in Zukunft ihr Umfeld gestalten. 

Mit welchen Formaten und Aktivitäten fördert das netzwerk n Nachhaltigkeit und Klimaschutz an Hochschulen?

Lisa: Das netzwerk n hat inzwischen verschiedene Formate entwickelt, mit denen Nachhaltigkeit an Hochschulen vor allem von Seiten der Studierenden vorangetrieben wird. Einerseits gibt es das »Wandercoaching«-Programm, was durch einen peer-to-peer-Ansatz funktioniert. Dabei werden Studierende fortgebildet, die selbst in Nachhaltigkeitsinitiativen aktiv sind, um dann studentischen Gruppen an anderen Hochschulen ihr Wissen weiterzugeben und sie bei Herausforderungen zu unterstützen. Außerdem haben wir eine interaktive Podiumsdiskussion entwickelt, die perspektive n, wo verschiedene Statusgruppen einer Hochschule auf Augenhöhe über Nachhaltigkeit ins Gespräch kommen können.

Ein großer Schwerpunkt ist auch die bundesweite Vernetzung von Studierenden, die sich für Nachhaltigkeit an ihren Hochschulen einsetzen. Bei unserer jährlichen konferenz n oder durch das Vernetzungsformat regio n fördern wir den Austausch innerhalb von Bundesländern oder Regionen. Wir setzen den Fokus aber nicht nur auf Hochschulen, sondern auch darüber hinaus, zum Beispiel beim Projekt »Klasse Klima«, wo Themen mit Bezug zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz von jungen Menschen an Schulen vermittelt werden. Auch politisch ist das netzwerk n vertreten und bringt die studentische Perspektive mit ein. Zum Beispiel haben wir uns bei der Nationalen Aktionsplattform »Bildung für Nachhaltige Entwicklung« stark beteiligt. 

Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen, um mich bei euch als »Wandercoach« ausbilden zu lassen? Wie viel Zeit muss ich für mein Engagement einplanen?

Lisa: Wichtig ist das eigene Engagement in einer studentischen Nachhaltigkeitsinitiative, erste Erfahrungen mit Projektplanung und idealerweise auch in der Arbeit mit Gruppen. Vor allem aber eine große Portion Begeisterung und Motivation für die Sache! Die Schulungen für das Wandercoaching sind mehrtägig und nach der Fortbildung sind die Teilnehmer*innen in Teams an zwei bis vier Wochenenden im Jahr an anderen Hochschulen im Bundesland aktiv, um dort die Initiativen bei ihren Anliegen zu beraten und begleiten.

Wie können auf Nachhaltigkeit fokussierte Hochschulgruppen Teil des netzwerk n werden?

Lisa: Aktiv mit dabei sein kann man als Einzelperson und als Gruppe durch den Beitritt auf unserem Vernetzungsportal plattform n. Dort sind schon über 120 Gruppen angemeldet und können eine eigene Projektarbeit organisieren, aber sich vor allem austauschen, gegenseitig motivieren, gemeinsame Vorhaben anstoßen und Informationen teilen. Als Initiative oder Hochschulgruppe am »Wandercoaching«-Programm teilzunehmen ist auch ein guter Einstieg. Dann gibt es den direkten Bezug zu unseren Inhalten und Methoden. Einen Antrag auf Mitgliedschaft gibt es auch bei uns, um im öffentlichen Auftritt zu zeigen, dass man Teil des netzwerk n ist und die Vision des Vereins unterstützt. 

Wo stehen die deutsche Hochschulen eurer Erfahrung nach, wenn es um Nachhaltigkeit geht? In welchen Bereichen sind sie bereits Vorreiter und an welchen Stellen gibt es oftmals noch Verbesserungspotenzial? 

Lisa: Bundesweit gibt es große Unterschiede zwischen den Hochschulen, was den Bezug zu Nachhaltigkeit angeht. Das liegt an unterschiedlichen Faktoren wie der Hochschulgröße, den Rahmenbedingungen der Bundesländer aber auch an der Bereitschaft der Hochschulen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Es gibt einige Vorreiter, welche ein nachhaltiges Leitbild haben und versuchen, dieses umzusetzen, wie z.B. die HNE Eberswalde, die Leuphana Universität Lüneburg oder der Umwelt-Campus Birkenfeld der HS Trier. Hier wird Nachhaltigkeit nicht nur in Lehre und Forschung eingebettet, sondern auch betriebliche Abläufe und die Governance- und Transferebene mitgedacht. Das Stichwort CO2-neutrale Hochschule fällt immer öfter, aber gerade im Betrieb muss dafür noch viel verändert werden. Wir sehen großes Potenzial für nachhaltige Transformation in der Einbindung von allen Akteur*innen, die an der Hochschule ein Interesse haben, Veränderungen mitzugestalten. Je mehr Perspektiven bei Entscheidungen berücksichtigt werden - gerade von Mitarbeitenden und Studierenden - desto gerechter und innovativer können die Lösungsansätze werden. Wir haben dazu eine Good-Practice-Sammlung erstellt, die Beispiele des Gelingens an Hochschulen aufzeigt und andere dazu einlädt, verschiedene Lösungsansätze an ihren Hochschulen auszuprobieren.

Wie finanziert ihr als gemeinnütziger Verein eure Arbeit? 

Lisa: Für unsere Projekte werden wir hauptsächlich von Stiftungen und Ministerien gefördert. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt die Formate im Rahmen des Projekts »Zukunftsfähige Hochschulen«, wie das »Wandercoaching«-Programm oder die Vernetzungsangebote. »Klasse Klima« ist ein Kooperationsprojekt zwischen uns und der BUNDjugend und wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert. Das neue Projekt »Studierende gestalten nachhaltige Hochschulen in NRW« wird von der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW unterstützt, da wir hier den konkreten regionalen Bezug zu Nordrhein-Westfalen haben. Außerdem bekommen wir private Fördermitgliedschaften, die uns dabei helfen, unabhängiger zu arbeiten. 

Foto: © netzwerk n

Du bist seit kurzem als Projektkoordinatorin für euer neues Programm »Studierende gestalten nachhaltige Hochschulen in NRW« tätig. Welche Aktivitäten plant ihr und wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus? 

Lisa: Wir führen im Rahmen dieses Projekts eine Fortbildungsreihe für Studierende durch. Damit werden diese zu Multiplikator*innen für Nachhaltigkeit an ihren Hochschulen und können ihre eigenen Initiativen (z.B. eine »Green Office«-Initiative oder eine »Students for Future«-Gruppe) stärken und auch hochschulübergreifend Projekte angehen. Der erste Jahrgang ist dieses Wintersemester gestartet und hatte im November die erste Schulung, wo es um Zielfindung und Projektplanung ging, aber auch um das Verständnis von einem nachhaltigen Hochschulsystem. Anfang 2020 gibt es eine zweite Schulung und dazwischen bieten wir Webinare zu praktischen Themen wie Öffentlichkeitsarbeit an.

Der Höhepunkt für den Jahrgang ist das öffentliche Dialogforum im Januar, wo die Studierenden mit Vertreter*innen aus Hochschulen, Vereinen und Verbänden, Politik und Zivilgesellschaft zusammenkommen, um über die nachhaltige Entwicklung von Hochschulen in den Austausch zu kommen. Wir planen dafür eine gemeinsame Veranstaltung mit der Universität Duisburg-Essen, die auch zum HOCH-N Verbund gehört. Dazu kommt die Netzwerkarbeit im Projekt, womit wir Studierende aus NRW, die sich bereits an ihren Hochschulen engagieren oder es tun wollen, zusammenbringen und so einen Austausch und gemeinsame Projekte fördern.

Dadurch, dass das Projekt so facettenreich ist, gibt es in dem Sinne keinen »normalen« Arbeitsalltag. Es dreht sich viel um die Planung und Organisation der Schulungsreihe, Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation mit Interessierten und Partner*innen aber auch die finanzielle Abwicklung des Projekts. Dazu kommt der inhaltliche Austausch mit Akteur*innen, die vor allem im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung in NRW aktiv sind, z.B. bei Tagungen oder in Arbeitsgruppen. 

Vom 28. November bis 01. Dezember 2019 fand an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde die konferenz n mit dem Thema »Bildung, Bits & Bäume – Hochschulen digital & nachhaltig?!« statt. Wie sah das diesjährige Programm aus?

Lisa: Das Thema Digitalisierung war in diesem Jahr besonders präsent und die Verknüpfung mit der Perspektive auf Nachhaltigkeit schon lange überfällig. Es waren spannende Referent*innen auf der konferenz n mit dabei, wie z.B. Prof. Tilman Santarius, der die Forderungen der Bewegung »Bits & Bäume« vorgestellt hat. Dazu kamen viele verschiedene Einblicke, wie der Bezug von Gender und Macht zur Digitalisierung oder die Zugänglichkeit zu digitalen Angeboten. Eine weitere Besonderheit dieses Jahr war die Einbindung des »Green Office Summits«, was parallel zur Konferenz lief und wo Teilnehmende virtuell mit dabei sein konnten. Hinzu kam, dass am 29. November der globale Klimastreik stattfand. Für uns im netzwerk n war der Streik ein wichtiger Programmpunkt und Vertreter*innen von Fridays for Future waren auch während der Konferenz mit dabei. Die Aktivist*innen haben u.a. von der »Public Climate School« berichtet, die über die gesamte Woche bis zum Klimastreik an vielen Hochschulen weltweit stattgefunden hat. Wir haben als Verein auch zu der »Public Climate School« aufgerufen, da wir uns mit den Studierenden bei diesen Aktionen solidarisieren und sie unterstützen.

Bei der Umsetzung von nachhaltigen Maßnahmen prallen hochmotivierte und engagierte Studierendengruppen mit ihren innovativen Ideen oftmals auf eher starre, bürokratische Systeme. Das kann Frust auf beiden Seiten erzeugen. Was würdet ihr Studierenden raten, die an ihren Hochschulen Veränderungen bewirken wollen?

Lisa: Einfach anfangen und ausprobieren! Es braucht meistens nicht mehr als ein paar Menschen, die ebenfalls Lust haben, etwas zu bewegen. Am besten überlegt man sich erst, was für die Gruppe wichtig ist und geht dann auf die Entscheidungsträger*innen zu, oder zeigt ihnen, wie es konkret gehen könnte. Häufig sind die Positionen auch nicht so starr, wie sie zunächst scheinen. Denn hinter bürokratischen Strukturen stecken Menschen. Es geht darum, diejenigen zu finden, die ähnliche Interessen verfolgen, sich zu verbünden und dann Unterstützung zu holen. An vielen Orten sind bereits Aktive, wo man sich anschließen kann, oder mit denen man untereinander dazulernen kann. Wir als netzwerk n unterstützen diese Prozesse gerne und haben in immer mehr Regionen Ansprechpersonen. Also an alle Studierenden: Nehmt Kontakt auf, besucht Veranstaltungen und tauscht euch mit Gleichgesinnten aus. Das Wichtigste dabei ist und bleibt, Spaß zu haben und das zu tun, wofür ihr brennt!

Welche weiteren Möglichkeiten gibt es, aktiv beim netzwerk n mitzumachen oder euch anderweitig zu unterstützen? 

Lisa: Die Fördermitgliedschaft ist ein direkter Weg, unsere Arbeit zu unterstützen, denn damit können wir freier arbeiten und uns den Bereichen widmen, die für unser Team und Vereinsmitglieder Herzensangelegenheiten sind. Die Teilnahme an unseren Formaten ist auch jederzeit möglich, um unsere Arbeit live mitzubekommen und direkt Teil des netzwerk n zu werden. Man kann einfach bei der eigenen Hochschule nach Initiativen schauen, wo man sich engagieren möchte und die vielleicht auch schon Kontakt zu uns haben. Als Gruppe kann man sich auf ein »Wandercoaching« bewerben, die Anmeldung für das Sommersemester 2020 ist jetzt offen. Selbst aktiv werden kann man als Wandercoach oder Multiplikator*in durch unsere Schulungen. Alle Informationen und Kontaktpersonen gibt es auf unserer Homepage. Ansonsten gibt es unseren Netzletter, wo man alle 6 Wochen wichtige Updates rund um nachhaltige Hochschulen und unsere Angebote per Mail bekommen kann.

Du möchtest dich und deine Hochschulinitiative vom netzwerk n unterstützen lassen oder einfach nur mehr über die Aktivitäten des Vereins erfahren? Dann geht es hier lang zur Website des netzwerk n. Das netzwerk n ist auch auf Facebook, Twitter (@netzwerk n) und Instagram vertreten.

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