Ob erneuerbare Energien, faire Textilien, nachhaltige Land- und Forstwirtschaft oder ressourcenschonende Ernährung – das Themenfeld Bioökonomie beschreibt viele Möglichkeiten, natürliche Ressourcen und Kreisläufe zu nutzen und gleichzeitig beruflich etwas für Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu tun. Das Projekt »Jobs ohne Kohle« vom Wissenschaftsladen (Wila) Bonn möchte gemeinsam mit Fachkräften und Young Professionals aus verschiedenen Branchen der Bioökonomie sowie Jugendlichen diese Möglichkeiten erkunden.
Doro, du hast dich nach einem Studium zu einer Neuorientierung entschlossen und absolvierst zurzeit eine Ausbildung zur Landwirtin auf einem Demeter-Hof. Was hat dich zu dieser Entscheidung bewogen?
Doro Sterz: Ich habe während des Studiums gemerkt, dass meine Stärke im praktischen Arbeiten liegt. Damit meine ich, dass ich mich zwar für die Theorie dahinter interessiere, aber ich bin nicht die Person, die in der Umwelt forscht etc. Ich lese gerne die Forschungsergebnisse anderer, aber für mich ist es das Beste, wenn ich die Kühe selbst auf die Weide treiben und körperlich und geistig aktiv sein kann.
Ich fühle mich im landwirtschaftlichen Alltag einfach wohl, es ist alles sehr abhängig von Tages- und Jahreszeiten. Das bedeutet einerseits einen routinierten Alltag mit immer wiederkehrenden Aufgaben, andererseits ist es aber auch eine Routine, die, durch die Arbeit mit natürlichen Prozessen, unter sehr verschiedenen Bedingungen stattfindet.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag für dich aus? Wie konkret unterscheiden sich die Arbeitsabläufe und -methoden auf einem Öko-Bauernhof im Vergleich zu einem konventionellen Landwirtschaftsbetrieb?
Doro: Jeder Tag fängt damit an, dass unsere 50 Kühe gemolken werden, das dauert ca. 2 Stunden und dazu gehört auch, sie mit Silage und Heu zu füttern, die Liegeboxen mit frischem Stroh aufzufüllen und auszumisten. Dann geht es tagsüber hauptsächlich wieder um das Futter für die Kühe oder Jungrinder. Das heißt, im Sommer werden Weidezäune gesteckt, Tiere von einer Weide zur anderen getrieben oder es wird gemäht, um Heu oder Silage herzustellen. Je nach Jahreszeit gibt es noch verschiedene Arbeiten auf dem Acker, wie pflügen, striegeln oder dreschen. Am Abend wird wieder gemolken und damit endet der Tag auch im Normalfall.
Unterschiede zu konventioneller Landwirtschaft sind nicht wirklich in den Routinen zu finden, sondern eher in den verwendeten Materialien. Statt Mineraldünger fahren wir Mist/Gülle auf die Äcker. Statt Pestizide zu spritzen, striegeln wir die Felder und wir füttern ausschließlich eigene (ökologische) Futtermittel.
Welche Voraussetzungen und Stärken sollte man idealerweise mitbringen, wenn man den Beruf des*der Landwirt*in ergreifen möchte? Ist es ein signifikanter Nachteil, wenn man vor der Ausbildung noch nicht viele Berührungspunkte mit der Landwirtschaft hatte, also z.B. nicht auf einem Bauernhof groß geworden ist?
Doro: Man sollte Freude am Umgang mit Tieren haben, geduldig sein können und interessiert sein an den Verhaltensweisen der Tiere. Da ich als Landwirtin jeden Tag routinemäßig mit den Tieren arbeite, ist mir ein relativ hoher Standard in der eigenen Einstellung sehr wichtig.
Außerdem ist eine gewisse Freude an technischen Geräten auch praktisch, weil diese in den meisten Bereichen die wichtigsten Hilfsmittel sind. Reine Körperkraft wird in der modernen Landschaft eigentlich nur noch selten gebraucht.
Ich komme selbst nicht aus der Landwirtschaft, aber das war nie ein Nachteil für mich. In der Berufsschule sind wir spätestens im 3. Lehrjahr alle auf dem gleichen Stand. Höchstens die Übung und Gewohnheit sind bei manchen Arbeiten noch nicht so weit, aber das ändert sich auch im Laufe der Ausbildung.
Der einzige wirkliche Nachteil ist, dass ich kein eigenes Land besitze und nach Abschluss meiner Ausbildung erst andere Wege gehen muss, um in meinem Beruf zu arbeiten (z.B. als Angestellte oder im Rahmen einer Erbbaupacht etc.).
Das Schlagwort »Bioökonomie« umfasst ja ein äußerst breites Spektrum an Branchen und Tätigkeitsfeldern und wird als so zukunftsweisend erachtet, dass der Bioökonomie sogar das Wissenschaftsjahr 2020/21 gewidmet wurde. Welche Rolle innerhalb dieses Themenfeldes nimmt für dich die ökologische Landwirtschaft ein? Und ist die Bioökonomie aus deiner Perspektive wirklich der »heilige Gral« der nachhaltigen Entwicklung, als der dieser Sektor an mancher Stelle angepriesen wird?
Doro: Ich würde sagen, in den Produktionstechniken ist die ökologische Landwirtschaft noch genauso von Erdöl und anderen fossilen Energieträgern abhängig wie die konventionelle. Auf dem Gebiet muss auf alle Fälle noch einiges geschehen, da der Dieselverbrauch für fast alle Ackerarbeiten extrem hoch ist.
In der Produktion selbst nimmt die ökologische Landwirtschaft natürlich eine extrem wichtige Rolle ein, weil sie die nachwachsenden Materialien, welche vom Rest der Wirtschaft gebraucht werden, herstellt. So können zum Beispiel Hanf und Lein angebaut werden und als Fasermaterial für Dämmstoffe oder Kleidung verwendet werden.
Inwieweit damit ein »grünes Wachstum« erreicht werden kann, ist fraglich. Ein Wachstum der grünen Bereiche innerhalb der Wirtschaft ist sicher drin, aber eine Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft wird nicht über die ökologische Landwirtschaft erreicht werden.
Du hast dich im Rahmen des Berufsorientierungsprojektes »Jobs ohne Kohle« den neugierigen Fragen von Schüler*innen gestellt. Welche Fragen brannten den jungen Menschen besonders unter den Nägeln bzw. an welchen Stellen hast du ganz besonders große Unsicherheiten und Informationsbedarfe gesehen? Welche Angebote zur Berufsorientierung hättest du dir während deiner Schulzeit gewünscht?
Doro: Besonders brennende Fragen waren, wie und warum ich ausgerechnet auf die ökologische Landwirtschaft gekommen bin. Oft gefragt wurde ich auch, wie ich meine Zukunft in Bezug auf Arbeitsmarkt, Lohn und Freizeit einschätze.
Ich hätte mir in meiner Schulzeit genau so ein Format gewünscht: Ein Austausch mit jungen Menschen, die erzählen, wie es ihnen geht in der Ausbildung, was Konflikte und Herausforderungen sind.
Was bedeutet für dich persönlich »Erfolg«? Das heißt, welche Art von positivem Feedback gibt dir dein Job, bei dem du das Gefühl bekommst »Ich konnte etwas Sinnvolles bewegen!«
Doro: Erfolg heißt für mich, wenn ich ohne Stress Rinder umtreiben konnte, wenn den Kühen mein Futter schmeckt und sie nicht viel liegen lassen, wenn ich duftendes hellgrünes Heu ernte, wenn ich im Herbst Regenwurmhaufen auf der Wiese sehe, wenn die Saat besonders dicht aufläuft... Zusammengefasst könnte ich vielleicht sagen: Wenn es den Tieren und Pflanzen, um die ich mich kümmere, gut geht.
Welche Vision hast du für deine Zukunft? Wie und wo möchtest du leben und arbeiten, wenn du deine Ausbildung abgeschlossen hast? Könntest du dir vorstellen, irgendwann einen eigenen Hof zu leiten?
Doro: Ja ich habe schon die Vision, mal meine eigenen Entscheidungen auf einem Hof umzusetzen! Leider ist das noch wenig konkret, weil ich diesen Hof erstmal finden muss und auch noch ein paar mehr Menschen, die auch auf so etwas Lust haben. Ich möchte aber auf alle Fälle in der praktischen Landwirtschaft bleiben.
Über Doro Sterz
Ich bin in Sachsen Anhalt aufgewachsen, zwischen dem Selbstversorger- Garten meiner Eltern und den großindustriellen Landwirtschaftsbetrieben der Region. Die Natur war immer ein Rückzugsort für mich, in dem ich mich sehr wohl fühlte. Darum habe ich mich auch nach dem Abitur erst für ein Praktikum auf einem kleinen Hof in Norwegen entschieden und später für den Studiengang Umweltwissenschaften.
Im kleinen beschäftigte ich mich mit Gemüse-Anbauplanung und im großen mit Agrarpolitik. Beides ist mir wichtig, jedoch brenne ich für die praktische Umsetzung und möchte dort meinen Alltag erleben. Aus diesem Grund habe ich noch eine Ausbildung zur Landwirtin angefangen.
Ich schätze besonders die natürlichen Zusammenhänge, die Arbeit mit lebendigen Tieren und Pflanzen und die Gemeinschaft mit anderen Menschen am Hof.
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