Netzwerken als introvertierte Person: Vergiss die klassischen Networking-Bullshit-Tipps

Netzwerken gilt als Schlüssel zum beruflichen Erfolg. Doch klassische Netzwerktipps sind oft von und für Extravertierte: Smalltalk auf großen Events, schnelle und oberflächliche Kontakte knüpfen, sich in den Mittelpunkt stellen. Für introvertierte Menschen kann das anstrengend und wenig zielführend sein. Doch Netzwerken funktioniert auch anders – auf eine Weise, die zu deiner Persönlichkeit passt. In diesem Artikel erfährst du, warum typische Netzwerktipps für Introvertierte oft nicht funktionieren und wie du deine eigenen Stärken für erfolgreiches Netzwerken nutzen kannst, ohne dich verstellen zu müssen.

von Charlotte Clarke, 1. April 2025 um 13:00
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Warum klassische Netzwerk-Tipps für Introvertierte meist nicht funktionieren

Die meisten Netzwerktipps stammen von Extravertierten für Extravertierte. Sie setzen darauf, dass man gerne im Mittelpunkt steht, leicht Gespräche beginnt und schnell viele oberflächliche Kontakte knüpft. Doch Introvertierte sind oft eher ruhige, reflektierte Menschen, die tiefere Gespräche bevorzugen und nicht so gerne auf großen Veranstaltungen im Rampenlicht stehen. Dadurch fühlen sich viele klassische Netzwerkmethoden für sie - im “besten” Falle - unnatürlich oder unangenehm an. Im Worst Case katapultieren Erwartungen wie “Sammle in 2 Stunden 10 Visitenkarten” oder “Pitche deine Idee in 30 Sekunden jedem Menschen, dem du zufällig ein Gespräch aufzwingst” sie direkt in die Panikzone (ich als introvertierte Artikelschreiberin spreche aus eigener Erfahrung…). 

Das ist jedoch wirklich nicht Sinn der Übung. Berufliche Kontakte zu knüpfen, muss nicht oberflächlich oder opportunistisch sein und widerspricht einem introvertierten Wesen keineswegs. Introvertiert zu sein, bedeutet nicht zwingend, sich als stille.r Beobachter:in das Treiben nur von außen anzuschauen (was jedoch auch völlig ok ist, wenn du dich in dem Setting unwohl fühlst). Wir Intros denken einfach nur gerne, bevor wir sprechen und sind oftmals auch ziemlich selektiv in Bezug auf die Menschen, mit denen wir in Kontakt treten möchten. Wir legen Wert auf Tiefgang, persönliche Connection und Gegenseitigkeit. Diese Stärken sind extrem wertvoll und wir dürfen sie mit dem gleichen Selbstbewusstsein in unser Netzwerk einbringen wie die Extros es mit ihren lauteren Vorzügen tun.

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Stärken von introvertierten Personen beim Netzwerken

Introvertierte haben oft Stärken, die sie beim Netzwerken gezielt einsetzen können. Dazu gehören:

  • Tiefgang: Sie bevorzugen tiefere Gespräche und können dadurch bedeutungsvolle Verbindungen aufbauen.
  • Zuhörqualitäten: Sie sind oft gute Zuhörer:innen und nehmen sich Zeit, um andere wirklich zu verstehen.
  • Reflexionsfähigkeit: Sie überlegen sich genau, mit wem sie sich vernetzen wollen und wie sie Kontakte sinnvoll pflegen.
  • Schriftliche Kommunikation: Oft sind sie besser darin, sich schriftlich auszudrücken, was in der heutigen digitalen Welt ein Vorteil sein kann.

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Netzwerk-Strategien für Introvertierte

Wie genau können deine Stärken beim Networking zum Einsatz kommen? Im Folgenden zeigen wir dir “klassische” Netzwerk-Strategien, die du als introvertierter Mensch erstmal getrost vergessen darfst - und was du stattdessen tun kannst, um authentisch zu bleiben.

❌ “Suche mit so vielen Menschen Kontakt wie möglich!”

Das kann für extravertierte Menschen, die das nicht als anstrengend empfinden, sondern völlig in ihrem Element aufgehen, wie Schmetterlinge von einer Blume zur anderen zu fliegen, sehr gut funktionieren. Für Introvertierte ist das jedoch oftmals enorm kräftezehrend.

✅ Lasse dir Zeit, um einzuschätzen, mit welchen Personen du überhaupt in Kontakt treten möchtest und priorisiere wenige, aber dafür sinngebende Gespräche. Wenn es sich um ein Event handelt, bei dem Speaker:innen und/oder Teilnehmende vorab bekannt gegeben werden, kannst du dies als Gelegenheit zur Vorbereitung nutzen, um vorab zu recherchieren, wo du Potential für einen Austausch mit beidseitigem Mehrwert siehst.  

❌ ”Bereite einen perfekten Elevator Pitch vor!”

Das Event als Bühne für die perfekte Selbstdarstellung: Einer solchen Gelegenheit fiebern Extravertierte geradezu entgegen. In einer solch fordernden Weise Raum und Aufmerksamkeit einzunehmen, löst bei den meisten Introvertierten doch eher Fluchtgedanken aus.

✅ Selbstverständlich ist es sinnvoll, anderen Menschen von deiner Idee und deinen Projekten zu erzählen, z.B. wenn du auf der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung bist oder ein Start-up gründen willst. Doch es muss nicht der perfekt choreographierte Pitch sein, den du deinen Tischnachbar:innen um die Ohren schleuderst (egal, ob sie ihn hören wollen oder nicht). Bereite stattdessen ein paar flexible Gesprächsaufhänger und Key Points vor, die dein Gegenüber zu einem Austausch einladen. Darauf zurückgreifen zu können, kann dir über die anfängliche Unsicherheit zu Gesprächsbeginn hinweghelfen. 

❌ “Initiere leichten Small Talk!”

Das muss wohl nicht weiter kommentiert werden. Aber es soll sie ja geben: Menschen, die Small Talk mögen.  

✅ Eine deiner größten Stärken als introvertierte Person: Tiefgründige Fragen stellen. Dies ist die perfekte Gelegenheit für deine Superpower, um aus dem drögen Netzwerk-Bla-Bla ein bereicherndes Gespräch zu machen. Damit kannst du einen überaus positiv-bleibenden Eindruck erzeugen, denn Menschen, die sich gehört fühlen, bauen Vertrauen zu dir auf. Es gibt kaum eine wirkungsvollere Form der Wertschätzung als sich aufrichtig interessiert an der Perspektive anderer zu zeigen. Die beste Voraussetzung also für langfristige und authentische Connection.

“Du musst dich selbst gut verkaufen.”

Allein schon die Formulierung “verkaufen”- gruselig. Es ist nicht nötig, rhetorische Kunststücke aufzuführen oder deine eigene Grandiosität möglichst offensiv zu präsentieren, um bei deinem Gegenüber einen guten Eindruck zu hinterlassen.

✅ Auch hier kann wieder deine wertvolle Fähigkeit des aktiven Zuhörens zum Tragen kommen. Lasse dich im Gespräch davon leiten, was dich an deinem Gegenüber wirklich interessiert, was dich neugierig macht und stelle Fragen, die zum Erzählen einladen. Dein Fokus darf darauf liegen, welche Gemeinsamkeiten ihr habt und wo dein Gegenüber einen Hinweis/deine Hilfe/deine Dienstleistung/dein Produkt wirklich gebrauchen könnte (statt darauf, wie du der Person etwas bestimmtes aufschwatzen kannst). Biete der Person deine Hilfe an, sofern du dies aus authentischer Überzeugung gerne tun möchtest. Dies bildet die Basis für einen vertrauensvollen Verbindungsaufbau, der auf gegenseitiger Unterstützung beruht. 


“Erzähle direkt zum Gesprächseinstieg eine persönliche Geschichte!”

Grundsätzlich spricht natürlich nichts dagegen. Wenn es eine Geschichte ist, bei der du das echte Bedürfnis hast, sie mit deinem Gegenüber zu teilen - go for it! Doch eine möglichst lustige, aufsehenerregende Story aus der Gedankenkiste zu kramen, um sie zu Performance- und Selbstdarstellungszwecken zu nutzen, passt vielleicht einfach nicht zu dir als introvertierte Persönlichkeit - und das ist völlig ok.

✅ Anstatt den Gesprächseinstieg zu nutzen, um dir Raum zu nehmen, kann es für dich wesentlich angenehmer sein, erst einmal deinem Gegenüber Raum zu geben, etwas über sich zu erzählen. Vielleicht überlegst du dir sogar Alternativen zur Standard-Smalltalk-Frage “Und, was machen Sie so?”. Du könntest z.B. stattdessen fragen, was an dem Projekt, an dem er oder sie gerade arbeitet, besonders spannend ist oder besonders viel Freude bereitet. Dein Gegenüber kann sich dann theoretisch auch entscheiden, von einem privaten Projekt zu erzählen, z.B. die Vorbereitung auf einen Marathon, eine Alpenüberquerung oder der Nepalesisch-Spachkurs. So erfährst du nebenbei nicht nur trockene berufliche Fakten, sondern etwas darüber, was die Person wirklich bewegt. Im Idealfall ergeben sich dadurch schon direkt Anknüpfungspunkte und Gemeinsamkeiten für einen weiteren Kontakt.

”Netzwerke mit einer Mission!”

Selbstverständlich geht es auch beim Networking beim Geben und Nehmen und oftmals gehen wir mit einem bestimmten Wunsch oder Anliegen zu einem Event, z.B. weil du auf Jobsuche bist, dir zu einem bestimmten Thema Wissen aneignen willst oder Geschäftspartner:innen suchst. Gleichwohl fühlt es sich für viele Introvertierte schlicht unaufrichtig an, Kontakte primär nach der Frage zu bewerten “Wie nützlich kannst du mir sein?”.

✅ Dein Fokus darf auf dem Aufbau authentischer Beziehungen liegen, die auf echter Sympathie und gegenseitiger Wertschätzung beruhen statt auf dem potentiellen “Mehrwert”, den ein Kontakt dir bringen kann.

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Finde Networking-Formate, die zu dir passen

Nicht nur die Art, Gespräche zu initiieren oder zu führen, spielt eine wesentliche Rolle, sondern auch der Rahmen der Veranstaltung. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber große Events und klassische “After Work Togethers” sind für mich als introvertierte Person so ziemlich die allerletzten Settings, in denen ich mich wohlfühle.

Statt dich hier auf großen Veranstaltungen zu verlieren, konzentriere dich auf individuelle 1:1 Gespräche. Vereinbare gezielt Treffen mit Menschen, die dich wirklich interessieren, sei es in einem Kaffee oder in einem Online-Call.

Apropos online: Introvertierte fühlen sich oft wohler, wenn sie in ihrem eigenen Tempo kommunizieren können. Plattformen wie LinkedIn oder das Reflecta.Network (speziell für die Nachhaltigkeitsbrachen) sowie eine eigene Webseite ermöglichen es, Kontakte auf schriftlichem Weg zu knüpfen und inhaltlich relevante Gespräche zu führen. Es kann sich daher lohnen, digitale Kanäle zu suchen, in denen Gleichgesinnte anzutreffen sind. 

Solche Kanäle haben auch den Vorteil, dass du dein Netzwerk auch durch Inhalte aufbauen kannst. Anstatt Smalltalk auf Events zu führen, kannst du dein Wissen und deine Perspektiven durch Blogbeiträge, LinkedIn-Posts oder andere Formate teilen. So ziehst du automatisch Gleichgesinnte an und baust Beziehungen auf Basis von gemeinsamen Interessen auf.

Selbstverständlich kommst du manchmal um größere Events, wie Messen, Konferenzen (oder Betriebsfeiern) nicht herum. Was auch gut ist, denn es ist für die Qualität von Kontakten extrem förderlich, wenn man sich auch mal analog in die Augen schaut. Bist du mit einer Person bereits digital gut vernetzt, kann es die Hemmschwelle senken, auch vor Ort ein Gespräch zu suchen. Grundsätzlich hilft es vielen Introvertierten, sich vorab einige Gesprächspartner:innen auszusuchen und Fragen zu überlegen. Dadurch kannst du Gespräche aktiv steuern, statt spontan reagieren zu müssen. Wir sind nunmal gerne vorbereitet.

Als Alternative zu großen Konferenzen gibt es zudem kleine Meet-ups, themenbezogene Diskussionsrunden, Mentoring-Programme oder Online-Formate, bei denen du einerseits auf Menschen mit ähnlichen Interessen triffst und die zum anderen moderiert werden. Ein solcher moderierter Rahmen kann sich für dich deutlich angenehmer anfühlen als das “lockere After-Work-Networking”.

Ganz grundsätzlich - dieser Punkt zieht sich ja wie ein roter Faden durch - entspricht es dir viel eher, wenige, aber bedeutsame Beziehungen zu pflegen als viele oberflächliche Kontakte zu sammeln. Achte darauf, einige Tage nach dem Austausch eine kleine, persönliche Follow-up-Nachricht (z.B. via Email oder LinkedIn) zu senden, in der du einen Aspekt aus dem Gespräch noch einmal aufgreifst, über den du z.B. im Nachgang noch viel nachgedacht hast oder der für dich besonders wertvoll/hilfreich war.

Fazit: Authentisch Netzwerken als Intro

Netzwerken muss nicht laut, flatterhaft oder oberflächlich sein. Als introvertierte Person kannst du deine Stärken nutzen, um wertvolle, tiefgehende Beziehungen aufzubauen – auf eine Weise, die sich für dich gut anfühlt. Setze auf Qualität statt Quantität, nutze digitale Möglichkeiten und baue dein Netzwerk durch authentische Interaktionen auf. So wird Netzwerken für dich nicht zur Anstrengung, sondern zu einer bereichernden Erfahrung.

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