Mit eurem Projekt »Abstandhalter für Fahrräder - Flagge zeigen!« möchtet ihr die Sicherheit für Fahrradfahrer*innen im Straßenverkehr erhöhen. Wie genau funktioniert eure Idee?
Fritz Schwirz: Wir haben einen Abstandhalter für Fahrräder neuester Generation erfunden, der den Autofahrer*innen einen notwendigen Sicherheitsabstand beim Überholvorgang von Radfahrer* innen vorgibt. Dieser Abstandhalter wird am Rahmen unterhalb bzw. an der Sattelstange montiert. Für eine Montage am Gepäckträger gibt es ebenfalls eine zweite Ausführung. Dieser Abstandhalter wird mit einer Flaggenstange aus biegsamen und nicht zerbrechlichen Fiberglas und einer reflektierenden Flagge bestückt. Diese ca. 1 Meter lange Flagge kann während der Fahrt leicht ein- und ausgeschwenkt werden. Ein ähnliches Prinzip ist aus den 70er Jahren als »rote Kelle« bekannt, die jedoch nicht mehr zeitgemäß ist.
Schaut euch doch einfach mal unser Video an!
Ist die Flagge auch etwas für Kinder?
Schwirz: Fest montierte Flaggen sieht man an vielen Kinderfahrrädern und Kinderanhängern.
Kinder dürfen bis zu 8 Jahren, teilweise bis zu 10 Jahren auf dem Bürgersteig fahren.
Das einfache Bedienen unserer Flagge eignet sich selbstverständlich auch für Kinder ab 8 bzw. 10 Jahren. So können Kinder z.B. den Schulweg sicherer und eigenständig mit dem Fahrrad zurücklegen, ohne mit dem Auto gebracht werden zu müssen.
Was kann ich als Fahrradfahrer*in noch tun, um meine Sicherheit zu erhöhen?
Schwirz: Für die weitere Absicherung des sicheren Radfahrens haben wir zwei reflektierende Schilder konzipiert: Sowohl für den Fahrradkorb als auch in einer Variante für den Gepäckträger. Auf dem Schild ist mit Symbolen der einzuhaltende Mindestabstand von 1,50 Meter zwischen Auto und Radfahrer*in beim Überholvorgang dargestellt. Zusätzlich ist visualisiert, dass auf der anderen Seite auch Radfahrer*innen einen Abstand von 1 bis 1,20 Meter von parkenden Autos einhalten müssen. Viele Straßen lassen das nicht zu und verbieten ein Überholmanöver mit dem Auto. Die Schilder reflektieren bei Scheinwerferlicht in der Dunkelheit und geben dadurch weiteren Schutz und Sicherheit. Ein weiteres Element, um mehr Sicherheit einzufordern, ist die Warnweste mit Mindestabständen und Symbolen.
Wie ist die Idee zum Projekt entstanden?
Schwirz: Die stagnierenden Unfallzahlen von Radverkehrsunfällen mit jetzt wieder steigender Tendenz müssen gestoppt werden. 2018 wurden In Deutschland 432 Radfahrer*innen bei Verkehrsunfällen tödlich verletzt. Eine Besserung ist ohne Engagement von Bürger*innen kaum zu erwarten. Ein Grund mehr, warum Radler*innen die Verkehrswende und den Klimaschutz unterstützen sollten.
Wie setzt sich euer Team zusammen? Und wie habt ihr zueinander gefunden?
Schwirz: Unser Projektteam setzt sich aus Engagierten der Bürgerinitiative »Verkehrswende Bonn« und jungen Menschen der Bewegung »Fridays for Future« zusammen. Die Verkehrswende Bonn war von Anfang an bei Treffen von Fridays for Future mit dabei. Auf einem dieser Treffen haben wir die Idee des Abstandhalters für Fahrräder vorgestellt und sofort hatten einige Schüler*innen Interesse, an diesem Projekt mitzuarbeiten.
In vielen deutschen Städten ist die Fahrradinfrastruktur nur unzureichend ausgebaut, viele Fahrradfahrer*innen fühlen sich daher unsicher. Was sind aus eurer Sicht die dringendsten Maßnahmen, die Städte und Kommunen konkret umsetzen müssten, um den Fahrradverkehr zu fördern?
Schwirz: Die bauliche Struktur vieler Städte wurde für einen so hohen Andrang an Autos und weiteren Verkehrsteilnehmer nicht ausgelegt, so dass eine Radinfrastruktur nicht nachträglich ausgebaut werden kann. Es gibt aber die Möglichkeit, Straßen in Fahrradstraßen umzuwidmen. In solchen Fahrradstraßen erhalten die Radfahrer*innen absolutes Vorfahrtsrecht bei max. 30 km/h.
Für eine erste kleine Serienproduktion der Abstandhalter habt ihr bei eurer Crowdfunding-Kampagne euer Funding-Ziel erreicht - herzlichen Glückwunsch! Wie geht es nun konkret weiter? Und was sind eure langfristigen Pläne für euer Projekt?
Schwirz: Unser wichtigster Schritt war zu erfahren, wie der Abstandhalter in der Bevölkerung ankommt. Und er kam sehr gut an! Somit werden wir nun die erste Serie produzieren oder produzieren lassen. Nach Ablauf des Crowdfundings arbeiten wir zunächst die dort entstandenen Aufträge ab. Für weitere Aufträge ist die Strategie noch offen.
Über welche Verkaufskanäle wollt ihr eure Abstandhalter in Zukunft vertreiben?
Schwirz: Wir planen einen eigenen Online-Vertrieb, Zielgruppe sind dabei die Endkund*innen. Aber auch andere Vertriebswege oder Partnerschaften sind denkbar. Unsere Erfindung, die einzigartig auf dem Markt ist, haben wir beim Deutschen Patent-Markenamt München schützen lassen.
Kann man euer Projekt auch nach Ablauf der Crowdfunding-Kampagne irgendwie zusätzlich unterstützen?
Schwirz: Ja, wir können uns Unterstützung oder Kooperationen gut vorstellen. Auch an weiteren Finanzierungen oder Verkäufen sind wir interessiert.
Zusätzlich zu diesem Projekt seid ihr in der Initiative »Verkehrswende Bonn« aktiv. Wofür macht ihr euch dort stark?
Schwirz: Verkehrswende Bonn hat sich aus Bürgerexpert*innen zur Förderung der Verkehrswende in Bonn gegründet. Basis war das »Verkehrsforum Bonn«, welches seit mehr als 30 Jahren besteht und sich ehrenamtlich um Entwicklungen im Verkehrssektor kümmert. Unser Ziel ist es, praktische Maßnahmen für die Verkehrswende zu erarbeiten - wie zum Beispiel unseren Fahrrad-Abstandhalter.
Weitere Projekte sind Einführung einer funktionierenden Parkraumbewirtschaftung und das sichere Fahren von e-Scootern auf der Straße. Außerdem möchten wir etwas gegen das gesetzwidrige Parken auf Bürgersteigen tun, das von Städten und Kommunen oftmals ungerechterweise geduldet wird.
Auf den »Bonnlab Blog« sowie auf der Facebook-Seite der »Verkehrswende Bonn« findest du mehr Informationen über die Aktivitäten der Initiative.