Du hast deinen Beruf als freie Journalistin nach mehrjähriger Berufserfahrung aufgegeben und dich noch einmal aktiv in den gemeinnützigen Sektor umorientiert. Was war deine hauptsächliche Motivation?
Wiebke Plasse: So romantisch das klingen mag, wollte ich beruflich meinen Anteil an positiven gesellschaftlichen Veränderungen leisten. Nach dem Studium der Journalistik arbeitete ich einige Jahre als Freie in unterschiedlichen Redaktionen – teils große Themen, ja. Aber kleines Geld, sehr viel Arbeit und schlechte Zukunftsaussichten. Während ich dann aktiv nach redaktionellen Jobs in Festanstellung suchte, stieß ich immer öfter auch auf Angebote im gemeinnützigen Sektor, was wie die perfekte Option für mich klang: Wenn schon auspowern, dann wenigstens für die gute Sache.
Wie bist du auf die Stelle bei der Welttierschutzgesellschaft gestoßen? Was genau hat dich an dem Tätigkeitsprofil überzeugt?
Wiebke: Der »Dritte Sektor« interessiert mich, seit ich denken kann – ich folgte gefühlt immer schon zig gemeinnützigen Organisationen, spendete und engagierte mich ehrenamtlich. Dass die Stelle bei der Welttierschutzgesellschaft (WTG) ausgeschrieben wurde, war ein glücklicher Zufall zu meiner Zeit der Umorientierung. Damals suchte die WTG eine Elternzeitvertretung für ein Jahr im Bereich Online-Marketing und Fundraising. Redaktionelles Schreiben, die Website pflegen, Newsletter versenden und Menschen für die gute Sache gewinnen: Das passte zu mir, meinen Kenntnissen und Vorstellungen. Zudem sah ich die zunächst einjährige Vertragsdauer auch als Testphase für mich, um zu schauen, ob mir der Bereich tatsächlich langfristig gefallen würde. Mittlerweile sind viereinhalb Jahre vergangen, mein Aufgabenbereich hat sich verändert und ich leite das Team Kommunikation – den Test haben also sowohl die WTG als scheinbar auch ich bestanden :)
Gab es für dich ein Schlüsselerlebnis, ab dem du wusstest, dass du den Sprung jetzt wagen musst oder war es eher ein langsamer Prozess?
Wiebke: Das Schlüsselerlebnis war sicher meine Recherchereise nach Rumänien 2013. Ich reiste für eine Reportage ins Land (hier zu lesen), um über die staatlich legitimierten Hundetötungen zu berichten. Danach haben mich die Tiere, die Situation, nicht mehr losgelassen. Auf eigene Faust fuhr ich weitere Male ins Land, recherchierte und schrieb, aber packte auch selbst mit an. Dabei wurde mir klar, dass mir das alleinige Beobachten und Be-(schreiben) der Zustände kaum mehr reichte und ich aktiver – vor allem im Tierschutz – werden wollte.
Was war die größte Herausforderung bei deinem Quereinstieg? Waren es eher mentale Hürden oder bestimmte Fachkenntnisse, die du nachholen musstest?
Wiebke: Das war vor allem der Abschied vom »Freisein« – damit tat ich mich nicht ganz leicht :) Ich musste mich an die Nine-to-Five-Arbeitswelt und das Ende meiner zuvor so geliebten Nachtschreib-Phasen gewöhnen. Der inhaltliche Einstieg in den Job war aufregend und auch herausfordernd, ja. Aber ich denke, dass es Schlimmeres gibt, als einen Einblick in die Tätigkeiten eines international tätigen Vereins zu erhalten.
Inwieweit unterscheidet sich die Arbeit in einer gemeinnützigen Organisation von der Tätigkeit im privatwirtschaftlichen Sektor?
Wiebke: Im Journalismus hatte Neutralität immer die höchste Priorität – ganz gleich, ob das Ergebnis meiner persönlichen Meinung entsprach oder nicht. Einen Sinn in jedem Text und in jeder Recherche gab es dennoch und das erfüllte mich. Nie hätte ich mir vorstellen können, meine Arbeit zur Unterstützung eines kommerziellen Großkonzernes zu leisten – also Werbetexte zu verfassen, um bei der Gewinnmaximierung und dem Ziel von »höher, schneller, besser« beizutragen. Zwar vertrete ich auch jetzt, in einem Angestellten-Verhältnis im gemeinnützigen Bereich, die Positionen und die Ziele meines Arbeitgebers. Angesichts der Tatsache, dass ich mich aber für eine gute Sache stark mache, kann ich damit aber gut leben.
Was genau bedeutet für dich persönlich »sinnerfülltes« Arbeiten?
Wiebke: So schlimm die Inhalte, also das Tierleid, mit dem wir uns täglich beschäftigen auch manchmal sein mögen, schaffen die Erfolge jeden Tag aufs Neue Motivation und Freude. Das sind kleine und große Dinge: Eine erfolgreiche Impfaktion, eine fertiggestellte Tierklinik, ein gesundetes Tier aus einem unserer Projekte oder eben auch ein spendenseitig guter Monat. Sinnerfülltes Arbeiten bedeutet für mich, dass die Energie, die ich investiere, am Ende mit Erfolgen – in unserem Falle weniger Tierleid – belohnt wird.
Gibt es vielleicht auch Aspekte des freiberuflichen Tätigseins, die du manchmal vermisst?
Wiebke: Ich würde lügen, wenn ich jetzt nicht sagen würde, dass mir der Journalismus fehlt. Das Recherchieren, die Interviews und das Kennenlernen so vieler unterschiedlicher Persönlichkeiten fehlen mir eindeutig. Ich versuche aber freiberuflich neben dem Hauptjob weiterhin journalistisch zu arbeiten. Zudem hatte ich im letzten Jahr die Chance, Tansania als eines unserer Projektländer zu bereisen, unsere Partner vor Ort zu treffen, zu interviewen und die Arbeit journalistisch zu begleiten – das hat viele Sehnsüchte gestillt :)
Wie reagieren deiner Erfahrung nach Arbeitgeber auf Bewerber*innen, die einen Quereinstieg anstreben? Schließlich passt man ja dann nicht mehr so ganz in das klassische Bild des »stringenten Lebenslaufes«. Wie bist du damit umgegangen?
Wiebke: So habe ich das tatsächlich gar nicht wahrgenommen – ganz im Gegenteil: Die Positionen in Organisationen sind oft ähnlich strukturiert wie in privatwirtschaftlichen Unternehmen, so dass sich Kenntnisse sehr gut decken können. Für meinen Bereich der Kommunikation zum Beispiel, also das Marketing, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und das Fundraising, ist eine journalistische Ausbildung optimal. Fachwissen entsteht zudem oft ja auch aus dem großen Interesse für das Thema, also privat oder in meinem Fall auch durch einige Recherchen. Wie ein Quereinstieg fühlte es sich dadurch tatsächlich gar nicht an.
Hast du vielleicht einen Tipp, den du Menschen, die ebenfalls einen Quereinstieg in die nachhaltige Branche wagen möchten, mit auf den Weg geben kannst?
Wiebke: Tut es – ganz eindeutig! Jede*r wird ein Thema haben für das er oder sie von tiefstem Herzen brennt. Schaut euch um, ob es in diesem Bereich passende Stellenangebote oder zunächst auch die Möglichkeit eines zeitweise ehrenamtlichen Engagements gibt. Oh, und wenn ihr den Einstieg in den Job mit Sinn wagt, warnt eure Freunde vor: Ihr werdet vor allem die ersten Monate sehr, sehr viel von der Arbeit des Vereins sprechen – ohne Rücksichtnahme, ob das die anderen noch interessiert :)
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